"Man kann von einer Frau kein Bild malen und auch sonst kein Bildnis schaffen, ohne sich mit dem Begriff der Schönheit zu befassen... Wenn die Schönheit vermutlich auch geschlechtslos ist, so wurde sie in der westlichen Kultur doch im Allgemeinen als weibliches Ideal begriffen ... Im Altertum hatte jedes Geschlecht seinen eigenen Schönheitskult... Doch im Laufe der Zeit ist in der westlichen Kunst und Kultur die weibliche Anatomie bei der Artikulation des Schönen häufig in den Mittelpunkt gerückt." (Marlene Dumas)
Marianna Krüger thematisiert das Bild des Menschen im medialen und sozialen Kontext der modernen Gesellschaft als Spiegel unserer Zeit; Momente der Oberflächlichkeit und Interpretation stehen im Widerspruch zum inneren Moment der Situation. Das mediale Bild als Fragment einer definierten Persönlichkeit erhält so das Potenzial der Authentizität eines Charakters. Die artifizielle Momentaufnahme wird ihrer profanen Mitteilung enthoben, indem aus dem personifizierten Objekt eine Person erwächst.
„So wie die Medien das Bild der Frau instrumentalisieren, versuche ich in meinen Malereien die Medien selbst zu instrumentalisieren, indem ich ihren Motiven ein anderes, ein neues inneres Moment gebe und sie von dem programmierten Kontext freistelle.“ (Marianna Krüger)
2011, Wild Thing, Josef Filipp Galerie, Leipzig
"Charakteristisch für Marianna Kruegers Arbeiten ist eine faszinierende Synthese aus gestalterischer Kompetenz und künstlerischem Empfinden, welche dem Betrachter neben dem konzeptionellen auch einen intuitiven Zugang ermöglicht.
Ein wichtiger Aspekt ihrer Arbeit ist die Verwendung des malerischen Mediums im Sinne eines geschichtlichen Aufzeichnungssystems zur Interpretation und Analyse zeitgenössischer Kultur; wie auch persönlich relevanter Inhalte, Erinnerungen und Metaphern. Visuell hoch aufgelöste oder 'realistische' Oberflächen im Kontrast zu abstrakten Elementen thematisieren eine gegenwärtige Gewichtung des visuellen Sinnes im Verhältnis zur ganzheitlichen Wahrnehmung. Das Sichtbare sieht sich einer mysteriösen Verborgenheit gegenübergestellt oder gar ausgeliefert.
Krueger hinterfragt die Funktion und Kommunikationsabsichten omnipräsenter, stilisierter medialer Repräsentation und setzt sich künstlerisch mit einem gesellschaftlichen Prozess in der Medienkultur und Ästhetik auseinander, welcher Rezeptions-Veränderungen hervorruft. Diese Verschiebungen sind geprägt durch eine zunehmende Konditionierung von Wahrnehmungsmustern, welche mittels medialer Konstruktionen und Inszenierungen menschliche Ansprüche, Erwartungen und Maßstäbe beeinflussen oder transformieren.
Ihre Malerei inspiriert durch eine Spannung, welche aufgeladen wird zwischen Rezipient und einer Art von bildlicher Darstellung, welche Widersprüchlichkeiten medialer Durchdringungen offenbart. Einerseits wird eine scheinbarere Nähe zum Subjekt erzeugt, andererseits die Unnahbarkeit des Abbildbaren und dessen gleichzeitige Omnipräsenz angesprochen." (Markus Soukup)
2010, FLASH, A.G. Galerie für Zeitgenössische Kunst, Schwerin
Flash, (engl. “Blitz“); auch das plötzliche Eintreten eines Rauschzustandes, das plötzliche Zeigen intimer Körperstellen, “Zungenkuss“ in der Jugendsprache…
Marianna Krueger beschäftigt sich mit ihrem Sujet des Portraits in realistischer Weise und transzendiert die Komplexität der Motive durch ihre Malweise und Pinselführung in eine Leichtigkeit und Flüchtigkeit. Die Transparenz überlagerter Farbschichtungen wird zur Reflexion innerer Momente der Portraitierten, körperlich-fleischliche Themen werden ätherisch, teilweise fasst durchsichtig, behandelt.
In dem Bildzyklus ‚’Flash’ steht dabei die düstere Farbstimmung in bewusstem Gegensatz zu der malerischen Leichtigkeit. Eine latente Bedrohlichkeit konterkariert das Motiv in Glow Star, indem es in seiner monochromen Komposition und Lichtstimmung klassische, altmeisterliche, Portraitmalerei zitiert. Die Reduktion der Farbe sowie die Abstraktion der räumlichen Aspekte hin zum emotionalen Raum fokussieren dabei die innere Situation des Motivs (Break); eine Ode an die Menschlichkeit mit all ihren individuellen Facetten.
2007, There is no place like home, Galerie Filipp Rosbach, Leipzig
Vor dem Hintergrund des Begriffes der Heimat stellt Marianna Krueger in ’There is no place like home’ thematisch anknüpfend an ihre vorangegangen Werke den Aspekt der Identität in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Die Motive sind sowohl bewusst mit einem konkreten Ort verknüpft (Ausflug, Beste Freunde) als auch gänzlich losgelöst von einem spezifischen sozialen oder kulturellen Kontext (There is no place like home).
Der Bildzyklus artikuliert kein Narrativ, sondern diskutiert die Ambivalenz des Begriffes der Heimat als einerseits autarkes soziales und räumliches Umfeld und andererseits als multimediale Bildsprache, welche Realität und Ort aufhebt und gleichsam eine neue, abstrakte, Identität schafft. Die Herkunft im Sinne des Ortes verliert so zunehmend an Bedeutung; anstelle ihrer tritt der Aspekt des Individuums, die Inszenierung einer gelebten Illusion (Born on 1st of June 1926). Tradierte Wertvorstellungen im Sinne von Erinnerungen aus der sozialen Matrix des Einzelnen (Partisan, Romeo & Julia) reduzieren sich zu Fragmenten der assoziierten Persönlichkeit.
2006, In your eyes, Galerie Wolfgang Gmyrek, Düsseldorf
Wir begegnen der Unsicherheit und Sehnsucht in dem Bemühen um das Erlangen des Ideals ewiger Jugend und Schönheit, der Problematik der Unfähigkeit der Akzeptanz des natürlichen menschlichen Antlitzes. Das Bild OP zeigt diesen Widerspruch am deutlichsten in dem Lächeln der Patientin nach dem operativen Eingriff. Ist es die Freude – Erleichterung – um die Annäherung an das Ideal oder Unsicherheit um die Ungewissheit des Ergebnisses? Catwoman verschiebt die Grenze des persönlichen Ideals in eine fiktive – unwirkliche, unbegreifliche – Dimension. Es beschreibt den schmerzhaften Prozess um das zweifelhafte Ergebnis Jocelyn Widensteins, der so genannten Wildenstein’s Bride in Referenz zu Frankensteins Braut.
Die Menschlichkeit im Sinne evolutionärer Natürlichkeit – und damit Fehlerhaftigkeit in der Welt der medialen Gesellschaft - ist jedoch eindeutig Schwerpunkt der Ausstellung ’In Your Eyes’. Die natürliche Schönheit wird zum Hoffnungsträger und zur Ode an das Menschliche, die Komplexität emotionaler Tiefe und des Individualismus (Russian Song).